Sie fletschte die Zähne. Und presste einen wütenden Laut hindurch. Ein Geräusch irgendwo zwischen Knurren und Schreien, wie es nur kleine Kinder hervorbringen. Ihr ganzer Körper bebte. Sie ließ den toten Waschbären nicht los, ihre Finger tief im schmutzig-grauen Fell verkrallt.
„Wir müssen sie waschen!“
„Nicht hier!“, sagte ihr Vater laut. Lauter als angemessen. „Es ist zu gefährlich.“
„Do-hoch!“
Er hielt die Vorderläufe fest in der rechten Hand, zog leicht daran, in der Hoffnung, seine Tochter würde loslassen. Doch sie schien gar nicht daran zu denken, sondern reckte nur das Kinn nach vorn.
„Seid leiser!“, fuhr Wiktor dazwischen.
Er beobachtete den umliegenden Wald. Auch Joe hob den Blick hin zum Hang hinter dem Bach, an dessen Ufer sie hockten. Zwischen den Stämmen von Buchen, Kiefern und Birken lagen kleine und große Felsbrocken verstreut, die irgendwann einmal von den Sandsteinwänden abgebrochen waren, die den Hang nach oben hin begrenzten. Der Wald um sie herum war zwar nicht düster, aber unübersichtlich. Licht und Schatten wechselten sich ab, griffen ineinander, verzahnten sich zu einem Mosaik aus Klecksen und Schraffuren in den unterschiedlichsten Grau-, Braun- und Grüntönen. Ob ein bestimmter Schatten hierhingehörte oder von einem Fremdkörper verursacht wurde, war kaum mit Sicherheit zu sagen.
Beide Männer blickten auch den Tafelberg hinauf, der sich über dem Tal in den Himmel reckte. Die Nachmittagssonne schien dagegen, sodass das Gestein eine gelblich-warme Farbe hatte und sich scharf gegen den blauen Himmel abzeichnete. Was sich allerdings jenseits der Oberkante der Steilwände befand, war völlig ungewiss. Joe zog die Stirn kraus und wandte sich wieder seiner Tochter zu. Er versuchte sich zu beruhigen. Und tatsächlich, auch ihr Griff schien nachzulassen.
„Hör zu, wir haben vorhin–“
Da riss sie ihm das tote Tier aus den Händen und warf es in den Bach. Sein Arm schnellte vor und er schlug sie, nur leicht, mit der flachen Hand auf den Oberarm. Sie heulte sofort los. Wiktor war mit wenigen schnellen Schritten bei den beiden. Das Mädchen beklagte sich bei ihm, während Joe in den Bach stieg und den Kadaver von Schmutz und Blut reinigte. Wiktor nahm die Kleine auf den Arm und ging mit ihr ein paar Schritte auf und ab. Leise sang er ihr Lieblingslied und sie beruhigte sich langsam. Das Laub an den Bäumen raschelte. Bald würde es gelb werden. Vor dem Winter würden sie die Gegend verlassen müssen. In den Bergen wären die kalten Monate zu hart und entbehrungsreich, würde Wiktor argumentieren. Joe dachte darüber nach, als er die erlegten Tiere an der Kraxe festzurrte. Zumindest für das Biberfell und die beiden Nerze würden sie ordentlich etwas bekommen. Da hörte er plötzlich ein leises Knacken, das schräg oben vom Hang zu kommen schien. Es klang wie von Menschen, die sehr bedacht durchs Unterholz schlichen, oder wie von einem Rudel Wölfe. Joe hoffte auf letzteres. Sein Blick suchte blitzschnell den Hang ab, glitt hoch zum Stein, fand jedoch nichts. Er drehte sich um.
„Ännchen, still jetzt!“
Sein Ton war ruhig und bestimmt. Das Mädchen verstand sofort und hörte auf zu wimmern. Wiktor ließ sie hinab in Joes Arme, der sie in die Kraxe setzte und festschnallte. Eilig packten sie ihre restlichen Sachen und verließen das Tal.
Ännchen und ihre Väter
Hier nun mein anderes aktuelles Schreibprojekt. Es geht um zwei Männer und ein Mädchen, die nach dem Zusammenbruch der Zivilisation als Fallensteller und Jäger durchs Land ziehen, ihre Felle in Siedlungen tauschen, sich vor Plünderern verstecken und vor allem die Schwierigkeiten und Probleme familiären Zusammenlebens zu meistern versuchen. In der Erzählung werden folgende Fragen verhandelt:
Wie wollen wir (zusammen-)leben?
Wie wollen wir unsere Kinder behandeln?
Was können wir unseren Kindern zumuten?
Was können oder müssen wir uns zumuten?
Welche Fehler machen wir?
Welche Fehler dürfen wir machen?
Was ist das Ziel, wenn wir Kinder großziehen?
Eure Meinung
Heute habe ich ein sehr persönliches Anliegen. Ich überlege, einen Auszug aus Ännchen und ihre Väter (AT) beim Literaturpreis Mecklenburg-Vorpommern 2024 einzureichen. Oder eben einen Auszug aus der Geschichte über den Journalisten Georg, in dem es mehr darum geht, wie man sich selbst im Wege steht, glücklich zu sein. Ich bitte euch um Feedback:
Was, meint ihr, eignet sich besser für die Einreichung?
Warum eignet sich eurer Meinung nach das eine besser als das andere?
Zur Info: Einreichen kann man maximal 10 DIN-A4-Seiten. Das oben sind etwas mehr als eine. Der Post Licht schien durchs Fenster sind ungefähr viereinhalb.
Gebt mir gern persönlich via E-Mail Rückmeldung oder kommentiert unter diesem Beitrag:
Vielen Dank und bis bald
Euer Gregor
Mir haben beide Texte gefallen, die Prämisse hier finde ich aber deutlich ungewöhnlicher/neuer, daher würde ich für den Preis auf jeden Fall diesen einreichen (aber gerne einen längeren Ausschnitt oder mehrere Ausschnitte)
Rein subjektiv: der Ausschnitt aus Ännchen und ihre Väter las sich gut und die Thematik finde ich spannend. Und natürlich ist ein postapokalyptisches Setting in meiner Welt das bessere Setting, deswegen hat dieser Part meine Stimme bei der Einreichung zum Literaturpreis 😉